Marktübersicht HR Standardsoftware 2017

19. Mai 2017 um 15.44 Uhr
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Der Markt der Software für die Personalwirtschaft ist in Bewegung. Neue Anbieter treten im Schweizer Markt auf und Cloud-Lösungen werden zur ernstzunehmenden Alternative für viele Geschäftsprozesse. referenzportal.ch hat mit Softwarefirmen und Kunden gesprochen, um eine Marktübersicht herzustellen. In diesem ersten Teil widmen wir uns dem klassischen «Rückgrat» der Personalarbeit – der Lohn und Personaladministration. Ein weiterer Artikel im wird sich den neuen «wertschöpfenden» Lösungen für Recruiting und Talentmanagement widmen.

Marktübersicht Lohn- und Personaladministration
Wie tausende von Firmen in der Schweiz benötigt auch die öffentliche Verwaltung eine zuverlässige Lohn- und Personaladministration, welche die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Welches sind die Minimalanforderungen, die eine solche Lösung abdecken muss? Was sind die besonderen Bedürfnisse der öffentlichen Verwaltung? Wie gross ist der Software-Markt, welche Anbieter gibt es? Diesen Fragen ist referenzportal.ch mit einer Marktstudie nachgegangen.

Im Zentrum der Anforderungen steht die Lohnverarbeitung. Software-Anbieter in der Schweiz müssen sich mit den Anforderungen von 26 Kantonen auseinandersetzen, beispielsweise bei der Quellensteuer und bei Meldungen und Statistiken. Das einheitliche Lohnmeldeverfahren ELM und damit eine swissdec-Zertifizierung sind Pflicht, will man als Anbieter im öffentlichen Umfeld auftreten. Bei grossen Städten und Kantonen handelt es sich um diversifizierte Mischkonzerne mit unterschiedlichen Lohnformen, Arbeitszeitmodellen und branchenspezifischen Anforderungen. Die «Mehrfachanstellung» (Personen mit mehreren Anstellungsverträgen) ist vor allem im Bildungsbereich aber auch bei anderen Funktionen, wie z.B. beim Reinigungspersonal der öffentlichen Verwaltung verbreitet. Welche Anbieter in der Schweiz können diese Anforderungen für einen Arbeitgeber mit mehreren tausend Lohnempfängern performant abdecken? Ist die Software-Architektur zukunftsfähig? Sind Personalressourcen für Beratung und Implementierung grösserer Kunden verfügbar? Und gibt es bereits Referenzkunden aus dem öffentlichen Umfeld, also von Bund, Kantonen, Städten und öffentlichrechtlichen Institutionen wie Spitälern, Hochschulen  oder Versorgungsbetrieben?

Die Zertifizierungsstelle swissdec listet über 100 Anbieter, welche den Lohnstandard-CH ELM erfüllen. Viele davon haben ihre Kundenbasis aber ausschliesslich bei KMU oder in spezifischen Branchen. Bei der Recherche ist referenzportal.ch auf 5 Lösungen gestossen, welche auch für grössere und komplexe öffentlichrechtliche Instutitionen in Frage kommen. Wir porträtieren die Anbieter in alphabetischer Reihenfolge.

Abacus Research AG
Für viele ist der Name Abacus Synonym für Software-Qualität aus der Schweiz. Die ERP-Lösung geniesst grosse Verbreitung: mehr als 10’000 Schweizer Kunden nutzen die ABACUS Lohnbuchhaltung und erstellen über 1 Mio Lohnabrechnungen pro Monat. Abacus ist bekannt für die Zusammenarbeit mit Treuhändern, in Verbindung mit zeitgemässen Hosting-Lösungen und hat seine Software-Architektur bereits vor Jahren konsequent auf ein zukunftstaugliches Web-Modell umgestellt. Im Bereich der Lohn- und Personaladministration sind die Funktionalitäten lückenlos und auch wichtige externe Schnittstellen (ELM, Incamail) vorhanden. Als ERP-Lösung hat Abacus seine Stärken bei der Integration: Zeitwirtschaft und Leistungserfassung fügen sich nahtlos in die Personaladministration und ins Rechnungswesen ein. Die Lösung ist primär interessant für kleinere bis mittlere Verwaltungen und öffentlichrechtliche Institutionen (Fachhochschulen, Werke, Gesundheitsbetriebe), welche ein Gesamt-ERP möchten und keine komplexe Konzernstruktur mit vielen Mandanten benötigen. Mit Installationen bei rund 360 Städten und Gemeinden ist Abacus Marktführer in diesem Segment. Auch die Kantone Thurgau, Glarus und Neuenburg setzen die ERP-Lösung ein, nicht alle nutzen aber auch das HR-Modul.

Microsoft
Microsoft ist mit den ERP-Lösungen Dynamics Navision (NAV)  und Dynamics AX seit vielen Jahren am Markt. Für die beiden Lösungen haben sich in der Schweiz spezialisierte Anbieter für die Lohnverarbeitung etabliert, da Microsoft eine solche Lokalisierung in Europa nicht anbietet. Die Firma SwissSalary als Spezialistin für die Lohnverarbeitung richtet sich vor allem an KMU und bietet auch Outsourcing auf der Basis von Dynamics NAV an. Für den Einführungspartner Axians hat sie mit „SwissSalary NSP“ zudem eine Lösung speziell für die öffentliche Hand entwickelt. Die technologische Basis von NAV und der eingeschränkte Funktionsumfang im Personalwesen machen die Lösung primär für Gemeinden und kleinere öffentlichrechtliche Betriebe interessant.

Auch für Dynamics AX, das «grosse» ERP von Microsoft, existiert mit der «Payroll Swiss for Dynamics AX» der Firma terna eine Lösung für die Schweiz. Dynamics AX bietet umfassende HR-Funktionalitäten, darunter auch Zeit- und Leistungserfassung, Personalbeurteilung und Talent Management. Im öffentlichen Umfeld nutzen vor allem Fachhochschulen die Lösung – sie haben typischerweise Bedarf für ein ERP-System mit integriertem Rechnungswesen, Zeitwirtschaft und Leistungserfassung sowie weiteren Modulen wie Logistik und CRM.

Seit November 2016 wird in der Schweiz die Cloud-Lösung «Dynamics 365» angeboten, welche auf AX basiert und mit Office 365 integriert ist. Ab 2017 soll es auch Cloud-Angebote auf der Basis von NAV geben, die sich aber eher an KMU richten dürften. Es bleibt abzuwarten, ob der Trend zur Cloud  Microsoft auch neue Kunden aus der öffentlichen Verwaltung bescheren wird.

Personal und Informatik (P&I)
Im deutschen Nachbarland hat P&I mit der Software Suite LOGA viele Grosskunden aus der öffentlichen Verwaltung. Als Spezialist für die Personalwirtschaft bietet die Firma ein umfassendes Paket an Funktionalitäten. Neben der Personal- und Lohnadministration (inkl. Lokalisierung für die Schweiz) umfasst dies Zeitwirtschaft,  Absenzenmanagement, Personalkostenplanung, Bewerbermangament, Talentmanagment, Recruiting, usw. P&I hat eine technologisch gut abgestützte Systemarchitektur und setzt konsequent auf Web-Oberflächen (wenn auch die Transformation bestehender Kundeninstallationen noch nicht vollständig abgeschlossen ist). Stärken der Lösung sind die Benutzeroberfläche und die  zahlreichen Standardschnittstellen, auch zu allen gängigen Buchhaltungssystemen. Dass die Lösung in der Schweiz noch kaum in der öffentlichen Verwaltung angekommen ist, könnte an der bis dato kleineren CH-Beraterbasis liegen, als sie beispielsweise im SAP-Umfeld besteht.
P& arbeitet daran: im 2015 hat man die HR-Software des Schweizer Anbieters Soreco übernommen und Beratungspartnerschaften für den Schweizer Markt sind im Aufbau. Wenn die Beratungskompetenz das Niveau der Software erreicht, könnte P&I in der Schweiz noch einiges Potenzial haben. Interessant ist die Lösung für Kunden, die alle Personalthemen mit einer einzigen Software abdecken wollen, den Fokus auf die Benutzerfreundlichkeit legen und nicht an eine übergreifende ERP-Infrastruktur wie SAP oder Microsoft Dynamics gebunden sind.

SAP
Der «Platzhirsch» für die Lohn- und Personaladministration grösserer Verwaltungen heisst SAP, so setzen neben dem Bund 6 Kantone, mehrere grosse Städte und zahlreiche verbundene öffentlichrechtliche Organisationen wie Hochschulen, Spitäler und Werke die Lösung ein. Liess die verwaltungskonforme Abbildung der «Mehrfachanstellung» und deren Lokalisierung für die Schweiz auch lange auf sich warten, ist dies seit 2014 gelöst. Komplexe Organisationen mit mehr als 10’000 Lohnempfängern entschieden sich in der Schweiz bisher fast ausschliesslich für die HCM-Lösung von SAP. In der öffentlichen Verwaltung wird die Personal- und Lohnadministration auf der klassischen SAP-Plattform entweder in eigenen Rechenzentren der Verwaltung oder im Outsourcing bei Hosting-Partnern betrieben. Der in den letzten Jahren zunehmend stärkere Fokus von SAP auf Angebote aus der Cloud, dürfte in den nächsten Jahren auch Auswirkungen auf die Investitionen der öffentlichen Verwaltung haben. SAP investiert sehr viel Geld in Lösungen aus der Cloud und wie Kunden aus der Privatwirtschaft, wird auch die öffentliche Verwaltung diese Angebote früher oder später berücksichtigen wollen oder müssen. Im Bereich E-Recruiting haben sich bereits mehrere Schweizer Spitäler für die Cloud-Lösung «SuccessFactors»  von SAP entschieden. Noch einen Schritt weiter geht der SAP-Kunde Schweizerische Post, welche im November 2016 mit dem Projekt «Cloud@HR» auch Personalentwicklung (Talent Management) und Personalbeurteilung (Performance Management) aus der Cloud ausgeschrieben hat.

Zusammenfassung
Die leistungsfähigsten Software-Anbieter im Bereich der Personal- und Lohnadministration in der Schweiz haben unterschiedliche Schwerpunkte und Kundensegmente. Welche Lösung für welche Kunden am besten geeignet ist, entnehmen Sie der untenstehenden Tabelle.

★=mit Einschränkungen ★★=gute Erfüllung  ★★★= Marktführer

a) Bewertung bezieht sich auf den Schweizer Anbieter SwissSalary
b) Bewertung bezieht sich auf den Schweizer Anbieter terna
1) Referenzen öffentliche Verwaltung Deutschland
2) Viele kleinere Beratungspartner
3) Wenige, dafür grössere und leistungsfähige Beratungspartner

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2Kommentare

  1. Guido Hediger

    08. August 2017 um 15.12 Uhr

    Interessanter Artikel. Was mir in der Übersicht fehlt sind noch die Kosten pro Jahr und welche Systeme in der Schweiz SwissDec resp. SUVA zertifiziert sind. SAP und Abacus ist mir klar, die anderen sind mir nicht bekannt.

    • Roland Füllemann

      08. August 2017 um 16.04 Uhr

      Besten Dank für Ihr Feedback. Neben Abacus und SAP sind auch P&I und SwissSalary mit Microsoft Dynamics NAV auf der Liste der Swissdec als zertifiziert aufgeführt. Die Firma Terna (Microsoft Dynamics AX) hat in der Umfrage angegeben, über eine Swissdec zertifizierte ELM-Schnittstelle zu verfügen. Habe ich jedoch nicht auf der Swissdec-Liste gefunden.
      An das Thema Kosten wagen wir uns z.Zt. nicht – zu gross sind die Unterschiede bezüglich Projektgrösse, Lizenzmodell, Konditionen und Betriebsmodelle.

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