WTO Ausschreibungen für IT Projekte: ist der Zug endgültig abgefahren für ein gutes Kosten/Nutzen Verhältnis?

10. Juni 2014 um 15.00 Uhr
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Moving Train And Red Signal

Bei jeder grösseren Investition in der öffentlichen Verwaltung muss eine Ausschreibung geplant und durchgeführt werden, so die Bestimmung laut Gesetz.  Dies wurde nicht immer korrekt umgesetzt. In letzter Zeit erschienen immer wieder neue Hiobsbotschaften fragwürdiger Vergabe von IT Aufträgen durch die öffentliche Verwaltung.

Pro und Kontra einer Ausschreibung
Nicht immer stehen die Verantwortlichen einer Ausschreibung positiv gegenüber. Mit dem Stichwort „Ausschreibung“ kommt einem doch nur das Folgende in den Sinn:

  • Zeitaufwand für das Erfassen der Anforderungen
  • Interne Abklärungen mit ungeliebten Kollegen
  • Image-Verlust beim bisherigen Lieferanten
  • Kostenaufwand durch  externer Unterstützung bei der Erstellung der notwendigen Unterlagen
  • Aufgrund der Vielfalt der zur Zeit eingesetzten IT- und Software-Bestandteile liegt eine Gesamtlösung in weiter Ferne
  • Aufdecken früher Versäumnisse oder falscher Entscheidungen
  • Software Evaluation, Requirement Analyse, Business Engineering? Ist das wirklich nötig?

Dabei sind Argumente gegen eine Ausschreibung nicht immer schlüssig und beruhen teils auf falschen Annahmen.
Zusätzlich wird das negative Gefühl in der öffentlichen Verwaltung durch die Vermutung bestärkt, dass in der Privatwirtschaft  und in der Industrie jederzeit, spontan und nach eigenem Willen IT Dienstleistungen sowie Hard-oder Software bestellt werden können.

Im Gegenteil: viele Konzerne nutzen Beschaffungsrichtlinien, um grössere Investitionen zu planen und um deren strategische Bedeutung zu unterstreichen. Für diese Unternehmen – wie auch für die öffentliche Verwaltung – spielen dabei folgende Fakten eine bedeutenden Rolle – und lassen mögliche Aufwände rasch als Investment dastehen:

  • Der Auftraggeber definiert klar die Anforderungen und seine Ziele, die er mit dem Investment verbindet.
  • Eine Investition in die IT erfolgt strategisch – gemäss dem St.Galler Management Modell:
    • Berücksichtigung aller Einflussfaktoren,
    • Einbezug aller betroffenen Stellen und Abteilungen.
  • Der Lieferant hat zu beweisen, dass er mittels Dienstleitung und Software die Anforderungen erfüllt – nicht andersherum.
    • Erfüllt die Lösung die Anforderungen schon im Standard Paket oder muss „hinzu programmiert“ werden?
    • Können alle relevanten Stellen und Abteilungen in die Lösung eingebunden werden?
    • Wie ist das Vorgehen zum Rollout? Gesamtlösung oder ein schritt- und abteilungsweises Vorgehen?
  • Die Lieferanten Präsentation im Rahmen einer Ausschreibung gibt dem Auftraggeber einen Überblick:
    • Welcher Lieferant ist in der Lage, den Auftraggeber in seinen Zielen zu unterstützen?
    • Welche Hardware-, Software- oder IT Lösungen werden derzeit auf dem Markt angewendet?

Zu Risiken und Nebenwirkungen…
Im Rahmen der notwendigen Dokumente einer Ausschreibung wie Pflichtenheft, Anforderungskatalog und Entscheidungsmatrix werden Fehler vermieden, die bei einer freihändigen Vergabe gern gemacht werden:

  • Klare Projektabgrenzung:
    • Was muss genau realisiert werden?
    • Was ist optional und kann in einem zweiten Schritt geleistet werden?
    • Welche Pakete gehören nicht zum Projekt-Umfang?
  • Migrationsplanung
    • Wie erfolgt der Schritt vom Alt- zum Neusystem?
    • Was geschieht mit Altdaten?
  • Klare Prüfung der Referenzen der Anbieter:
    • Was hat der bisherige Lieferant bei anderen Kunden geleistet?
    • Mit welchem Lieferanten haben andere vergleichbare Institutionen gearbeitet?
  • Klarer Aufbau der Entscheidungsmatrix
    • Korrekte Gewichtung der qualitative Faktoren
    • Einbettung des Preises in den Gesamtzusammenhang
  • Briefing und De-Briefing
    • Interne Absprache mit allen relevanten Stellen
    • Vorbereitung der Anbieterpräsentationen
    • De-Briefing für Anbieter, welche bei der Ausschreibung nicht berücksichtigt werden konnten

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Portrait Dietmar Wettach roundrect

Zum Autor: Dietmar Wettach ist Partner der example consulting gmbh und unterstützt Unternehmen und Verwaltungen in der Phase der Ausschreibung von IT-Projekten.

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